Theo Herzog, der Vater des früheren Bundespräsidenten Dr. Roman Herzog, war Stadtarchivar von Landshut von 1948 bis 1970. Währen die meisten Landshuter Autoren sich mit dem Mittelalter auseinandersetzen, hat Herzog eine Chronik des 19. Jahrhunderts verfaßt und darüberhinaus das lesenswerte und durchaus unterhaltsame Buch "Landshut im XIX. Jahrhundert" geschrieben, aus dem hier zitiert wird. Die Überschriften habe ich hinzugefügt.
Wie alles begann.
König Ludwig I., welcher die Bedeutung der Bahnen erkannt hatte, baute diese weiterhin in Staatsregie. Unter Max II. konnte dann wieder ein Privatbetrieb, die Bayer. Ostbahnen-AG, eine Konzession erhalten. [...] Zu diesen gehörte auch die Bahnlinie vonn München über Landshut bis an die Donau, für welche Ende 1854 mit den Absteckungsarbeiten im Stadtgebiet von Landshut begonen wurde.
Baufortschritt.
Zwei Jahre später war der für den Bahnhof an der Regensburger Strarße vorgesehene große Platz von Gräben umzogen, und im Frühjahr 1857 war dort der Bahnhofsbau voll im Gange. Den ganzen Monat März hindurch wurde am Bahnbau in der Nähe der Stadt fest gearbeitet [...]. Dieses Geschehen erregte das Interesse der erwartungsvollen Menge in hohem Grade, und so wanderten jetzt täglich Hunderte von Menschen zum Eisenbahnbau hinaus, um das Werken und Schaffen der etwa 700 Arbeiter zu verfolgen. [...] Das Hauptgebäude war von dem Maurermeister [Simon] Pausinger erstellt worden, den Lokomotivschuppen hatte [Johann Baptist] Bernlochner gebaut. Im April 1858 setzte man gewissermaßen zum Abschluß die Säulen und den Dachstuhl der Einsteighalle.
Erster Bahnbetrieb.
Am 6. Sept. 1858 vormittags 10 Uhr kam mit einem 1. Probezug, gezogen von der Lokomotive "Landshut", der Direktor der Bayer. Ostbahnen, Herr [Paul Camille] v. Denis, hier an, um die Arbeiten am Augenschein zu nehmen. Der Zug bestand aus etwa 20 Güterwägen mit Baurequisiten, in deren Mitte sich der Personenwagen befand. [...] Obwohl die Strecke nun eigentlich bis München befahrbar war, sollte sie, angeblich wegen der noch fehlenden Personenwagen, doch erst zwei Monate später eröffnet werden. [...] Am 3. Nov. 1858 [begann] der regelmäßige Fahrbetrieb gegen Fahrkarte. Auf eine besondere Eröffnungsfeierlichkeit hatte man verzichtet; eine solche sollte erst stattfinden, wenn auch die Strecke von Landshut nach Regensburg fertiggestellt war. Es verkehrten vorerst täglich 3 Zugspaare, je um halb 7 Uhr früh, um halb 11 und abends 5 Uhr mit drei Wagenklassen. Die Tahlfahrt von München nach Landshut nahm ca. zweieinhalb Stunden in Anspruch.
Neue Möglichkeiten durch die Eisenbahn.
Die Eisenbahn veränderte alsbald das ganze Verkehrswesen, indem sie für alle nur denkbaren Zwecke eingesetzt wurde. So führte man schon im Sommer 1859 die aus Anlaß des Krieges zwischen Österreich, Italien und Frankreich für nötig erachteten Truppenbewegungen von Landshut aus vorwiegend mit der Eisenbahn durch. Aber auch für das gesellige Leben der Stadt war die Eisenbahn von Bedeutung; Vereine, Gesellschaften, Familien und Einzelpersonen konnten nun auf bequeme Weise reisen, um nach einigen Stunden ebenso leicht wieder zurückzukehren.
Erweiterung.
Am 12. Dez. 1859 konnte dann die Ostbanhn von Landshut [...] nach Regensburg und weiter nach Nürnberg, sowie die Zweigstrecke von Geiselhöring nach Straubing dem allgemeinen Verkehr übergeben werden. Am 20. Sept. 1860 folgten in diesem Zusammenhang noch die Züge von Straubing nach Passau. [...] Am 7. Jan 1875 [wurde] der Ostbahngesellschaft die Konzession zum Bau und Betrieb der Linie Landshut-Dingolfing-Landau a. d. Isar erteilt. Als weiteres Projekt zeichnete sich bereits die Strecke Landshut-Neumarkt ab. Auch bei Deggendorf wurde damals gebaut [...].
Bahnhof Nummer 2.
Die Planung der Bahnlinien nach landau/Isar und Neumarkt löste auch die Frage nach einem neuen Bahnhof aus, weil sich der alte als Sackbahnhof für die Zuführung und Aufnahme weiterer Linien als nicht geeignet erwies. Der neue Bahnhof sollte ein Durchgangsbahnhof werden, aus dem die einlaufenden Züge der Hauptstrecke in gleicher Richtung weiterfahren konnten. Die Projektierung erfolgte 1875/76 [...]. Über den Verlauf der Arbeiten wiessen wir, daß zunächste ein Verbindungsgeleise vom alten Bahnhof zum Platz des künftigen Bahnhofes gebaut wurde, auf dem Materialzüge dorthin verkehren konnten. [...] Im März 1879 erhoben sich die Grundmauern des neuen Bahnhofes über den Erdboden und teilweise war auch schon mit dem Hochbau begonnen worden. Im Oktober d. Js. konnte die Brücke über die äußere Flutmulde bei der Altdorferstraße dem Verkehr übergeben werden. Im Frühjahr 1880 war das großangelegte Werk vollendet, so daß am 11. Mai der erste Zug in den neuen Bahnhof einfahren konnte. Der Umzug vom alten zum neuen Bahnhof mußte innerhalb weniger Stunden bewerkstelligt sein; er vollzog sich ohne Behinderung und Unfall.